Denkt man an den typischen Neo-Nazi, dann entsteht im Kopf das Bild eines Mannes, mit kahl geschorenem Kopf, Springerstiefeln und Kleidung der bekannten Marken. An ein Mädchen bzw. eine Frau denkt kaum jemand. Die Frage nach der Beteiligung von Frauen wurde von der Extremismusforschung lange Zeit ausgeblendet. Erst seit den 1990er Jahren rückte dieses Themenfeld verstärkt in das Blickfeld der Betrachtung. Aber nicht nur in der Forschung, auch in Medien und in der pädagogischen Praxis werden Frauen als politische Akteurinnen häufig weniger wahrgenommen, ihre Taten selten als politisch motiviert eingestuft und dabei teilweise unterschätzt. Dieses Problem verdeutlicht sich besonders an der steigenden Anzahl der Frauen in der rechten Szene.
Betrachtet man die Quantität (Anzahl) der Beteiligung, lässt sich diese grafisch in Form einer Pyramide veranschaulichen. Mit einem Anteil von 3–5% sind die rechtsextrem motivierten Gewalttaten verzeichnet, wobei hier nur die polizeilich erfassten Gewalttaten von Frauen einberechnet wurden. Demnach liegt die Dunkelziffer der tatsächlichen Beteiligung höher. Ausgeblendet werden in dieser Erhebung auch die indirekten Beteiligungsformen von Frauen wie Anfeuern, Anstiften oder Bejubeln, welche jedoch auch zum Gesamtablauf beitragen.
Auf der nächsten Ebene des organisierten Rechtsextremismus hingegen beträgt der Anteil der Frauen, nach Selbstaussage der Parteien, über 20%. So läge, laut des Bundesvorstandsmitglieds Peter Marx, der Frauenanteil in der NPD bei 27%. Bei Neuzugängen betrage er sogar 50%. Dicht gefolgt wird der Bereich des organisierten Rechtsextremismus von dem der Cliquen und organisierten Zusammenschlüssen. In diesem Bereich, der durch netzwerkartige Strukturen gekennzeichnet ist, liegt der Frauenanteil bei schätzungsweisen 25–33%, was zum einen auf die verschiedenen Gruppierungsarten zurückzuführen ist. Zum anderen basieren diese Angaben auf Beobachtungen und Schätzung sogenannter „Szenekenner“, da eine systematische Bestandsaufnahme durch den geringen Organisationsgrad erschwert wird. Betrachtet man hingegen die ideologische Einstellung oder geistige Haltung, ist hier sowohl die größte Anzahl der Frauen zu verzeichnen als auch das Verhältnis von Frauen und Männern ausgeglichen. Die genauen Zahlen dieser Erhebungen fallen jedoch unterschiedlich aus, was wohl auf verschiedene Definitionen des Rechtsextremismusbegriffs zurückzuführen ist. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Frauen in ihrer politischen Einstellung vergleichbar rechtsextrem eingestellt sind wie Männer.
Entsprechend der Qualität der weiblichen Beteiligung gibt es auch zahlreiche Beteiligungsformen, die von aktiver Gewaltanwendung über indirekte Unterstützung bis hin zur ideologischen Begründung reichen. Demnach engagieren sich Frauen sowohl im Hintergrund, wie zum Beispiel durch das Betreiben von Gaststätten und Szenetreffen an der Organisation, als auch als Unterstützerinnen, unter anderem durch die Bereitstellung finanzieller Mittel. Besonders häufig ist die Anmietung von Räumen für rechtsextreme Veranstaltungen, die Verteilung von Flugblättern und Spitzeltätigkeiten in der sogenannten “Anti-Antifa”, die zum Ziel haben, den politischen Gegner auszuforschen.
INFO ANTIFA:
Der Begriff Antifa ist aus dem Wort Antifaschismus abgeleitet (Akronym). Er bezeichnet sowohl linke, linksradikale und autonome Organisationen als auch Gruppen. Ziel dieser Gruppen ist Nationalismus und Rassismus zu bekämpfen. Besonders wird hierbei die Ablehnung des Antisemitismus betont. Nichtsdestotrotz wird zur Erreichung der Ziele oftmals auch Gewalt angewandt.
Aber auch bei öffentlichen Aktivitäten sind Frauen aktiv dabei. Ein Beispiel hierfür ist ihre Teilnahme an Aufmärsche und Demonstrationen, bei denen sich die Frauen und Mädchen in ihrem Aussehen und Auftreten jedoch deutlich unterscheiden: Zum einen finden sich hier Frauen im nationalsozialistischen Stil, Skingirls mit ihrem typischen Haarkranz, autonome Aktivistinnen, zum anderen sind aber auch Frauen und Mädchen anwesend, die sich von dem heutigen, “normalen” Erscheinungsbild junger Frauen nicht unterscheiden. Dabei übernehmen Frauen aber nicht nur die Aufgaben der stummen Demonstrantinnen, sondern sie engagieren sich aktiv als Transparentträgerinnen, Ordnerinnern, betätigen sich im “nationalen Sanitätsdienst” (“Braunen Kreuz”) und treten sogar als Rednerinnen auf.
Darüber hinaus sind Frauen auch in der Musik-Branche tätig. Anett Müller gehört in der Szene zu den bekanntesten Musikerinnen und tritt besonders bei NPD-Parteitagen und Kundgebungen auf. Daneben wirken Frauen sowohl als Autorinnen rechter Zeitschriften und Publikationen, als auch als deren Gründerinnen in der rechten Szene mit. Zu diesen Zeitschriften zählen unter anderem “Das treue Mädel” oder “Triskele”, die nicht nur typische Frauenthemen behandeln, sondern auch ein breites inhaltliches Spektrum abdecken.
Seit den 1990er Jahren ist eine stärkere Selbstorganisation der Frauen in der rechten Szene zu beobachten, die ihren Ausdruck in den vermehrten Gründungen eigenständiger Frauenorganisationen findet und versucht, Frauen vermehrt einzubinden. Die bislang größte und aktivste rechtsextreme Frauenorganisation ist die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF), die 2001 aus dem Skingirlfreundeskreis Deutschland (SFD) hervorging. Vor dem Hintergrund neonazistischer Anschauungen stehen sowohl politische Aktivität als auch Mutterschaft im Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten. Darüberhinaus unterhält die GDF einige Verbindungen zu anderen rechten Gruppierungen, so dass es auch Doppelmitgliedschaften mit dem Ring nationaler Frauen (RNF), der 2006 gegründeten Frauenorganisation der NPD, gibt.
Der RNF sieht sich als parteiübergreifender “Dachverband” für” nationale Frauen”. Dessen Ziel ist es, Hemmschwellen gegenüber der Partei abzubauen, um so politisch interessierte Frauen anzuwerben. Diese Werbung erfolgt durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, die aktuelle Themen wie z.B. Elterngeld aufgreift, um darüber die Ideologie des RNF zu transportieren. Somit trägt diese Organisation zur Imageverbesserung und Stabilisierung der Partei und ihres Umfeldes bei.
Frauen sind aber auch an einer anderen Stelle in besonderem Maße aktiv. So engagieren sich überproportional viele Frauen in der Unterstützerarbeit für Inhaftierte Rechtsextreme, z.B. in der „Hilfsgemeinschaft für nationale Gefange“ (HNG), welche sich zur Aufgabe gemacht hat, nicht nur die „Kameraden“ im Gefängnis, sondern auch ihre Angehörigen während der Haftzeit zu betreuen.
Die Rolle der bedeutendsten Gruppierung nimmt seit einigen Jahren allerdings der “Mädelring Thüringen” ein. Diese Gruppe, die sich selbst als “Mädelkameradschaft” und Teil des “Nationalen Widerstandes” bezeichnet, hat sich zum Ziel gesetzt, rechte Frauen zu unterstützen und zu motivieren, so dass deren politisches Engagement weiter steigen soll. Auch in dieser Gruppe wird Bezug auf aktuelle Themen genommen und scheinbar „fortschrittlich“ diskutiert, wie ein Artikel mit dem Titel ”Nationaler Feminismus – ein Paradoxon?” auf der Homepage dieser Gruppierung beispielhaft verdeutlicht.
Zusammenfassend kann man insgesamt also feststellen, dass in den vergangenen Jahren die Rolle und das Engagement von Frauen, auch nach außen hin wahrnehmbar, in der rechtsextremen Szene an Bedeutung zugenommen haben. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung ist insbesondere die hier gezeigte Vielfalt an Möglichkeiten, die sich mittlerweile Frauen und Mädchen bietet, sich innerhalb der rechten Szene zu engagieren. Hierbei spielen auch die über rechtsextreme Netzwerke transportierten Frauenbilder von bereits aktiven Frauen eine wichtige Rolle.
Rechtsextrem orientierte Frauen und Mädchen sind dabei häufig nicht mehr nur Mitläuferinnen der rechtsextremen Bewegung bzw. werden nur als Freundin eines in der Szene aktiven Mannes wahrgenommen. Vielmehr übernehmen immer mehr Frauen auch ganz unterschiedliche Funktionen und tragen damit wesentlich zur Veränderung der Außenwirkung und einer Modernisierung der rechten Szene bei.
Auch wenn sich viele Frauen immer noch zum Teil stärker im Hintergrund betätigen, so haben sie dennoch eine zunehmend stärkere, stabilisierende Wirkung und sind dabei vor allem in ihrem Denken und Handeln nicht weniger rassistisch und fremdenfeindlich geprägt als Männer. Hierbei zeigt sich vielmehr, dass diese Frauen meist ihr Engagement von der übergeordneten Idee getragen sehen, an der Seite der Männer für die „nationale Volksgemeinschaft“ zu kämpfen und sich dabei auch oft relativ selbstbewusst in einer tragende Rolle sehen.